Dienstag, 06 Februar 2018 20:57

Was kann KUNST | Bilder und Antworten vom Neujahrsempfang Kunstverein und BBK

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Wichtiges Bild cit77 neujahrsempfang kunst 4Was kann Kunst? Sie bringt, soviel ist sicher, die Menschen zusammen, etwa zum gemeinsamen Neujahrsempfang der Ingolstädter Kunst und Künstler. Die beiden seit vielen Jahrzehnten in Ingolstadt und der Region etablierten Kunstinstitutionen, der BBK (regionaler Berufsverbands Bildender Künstler) und der Kunstverein Ingolstadt, wollten gemeinsam das neue Jahr beginnen. Die Vorsitzenden Hubert P. Klotzeck (Kunstverein) und Werner Kapfer (BBK) boten zur Begrüßung der vielen Gäste, darunter auch Ehrenbürger und Alt-OB Peter Schnell, ihre Variationen zum zentralen Thema „WAS KANN KUNST, WAS KUNST KANN, KUNST KANN WAS.“

Der Abend war zugleich Finissage der Ausstellung DARK MATTER der türkischen Biennale-Künstlerin Yasam Sasmazer. Schwarze Materie, Krisen, Schatten und dunkle Seelenzustände als Auftakt für 2018? Müssen Künstler den Finger immer in die Wunden legen? Kann Kunst auch feiern? Um beides vorweg zu nehmen: Ja! Und natürlich gab es auch Musik, wurde getanzt, gegessen und auf 2018 angestoßen.

Doch zuvor wollte die Frage „Was kann Kunst“ beantwortet werden. Welche Rolle können Künstler bei der Bewältigung gesellschaftlicher oder persönlicher Traumata spielen? Dazu war Christine Fuchs eingeladen, Künstlerin und Geschäftsführerin des bayerischen Städtenetzwerkes STADKULTUR. Sie bereitet aktuell ein bayernweites Kunstfestival zum Thema Kunst und Gesundheit vor (kunst-und-gesund.de). Fuchs skizzierte die Möglichkeiten der Kunst, um gesellschaftliche Krisen oder persönliche Erschütterungen aufzuarbeiten. Künstler machen diese sichtbar, setzen Unrecht, Umweltzerstörung oder menschliches Elend „ins Bild“. Wir alle kennen solche Kunstwerke. „Der Schrei“ von Edward Munch. Ai Weiwei (So sorry), der mit 9000 Schulranzen am Haus der Kunst in München an die toten und totgeschwiegenen Kinder nach einem Erdbeben in China erinnerte. Jenny Holzer („Wo Frauen leiden bin ich hellwach“) verarbeitet die Massenvergewaltigungen muslimischer Frauen im Jugoslawienkrieg. Untergrundkunst macht auf Unterdrückung oder unwirtliche Städte aufmerksam. Dabei setzten die einen auf einen Heilungseffekt. Auch, so Fuchs, weil sie mit ihrer Arbeit selbst die „heilsame“ Wirkung der Kunst erleben. Andere strebten eine Re-Traumatisierung an, wie ein südafrikanischer Theaterregisseur, der mit exzessiver Gewalt in seinen Stücken für Aufsehen sorgt. Kunst als Therapie? Wird hier nicht ausgerechnet die Kunst instrumentalisiert und auf Nützlichkeit verengt? Diese Bedenken stellen sich zurecht, für das Theater ebenso wie für die Malerei oder die Musik.

Kunst ist Kunst, reflektiert Christine Fuchs. Sie fände ihren Sinn und ihren Zweck in sich selbst. Und auch, wenn sich die Künste mit anderen Zwecken verbinden – in der Werbung, im Design oder in der politischen Kunst – so befänden sich diese Verbindungen immer in einem gewissen Spannungsverhältnis, das sich selbst kritisch hinterfragen müsste.

Und wir? Wir sollten uns von Kunst berühren lassen und uns dabei „auf Seelisches“ einlassen. Ein Kunstwerk oder Theaterstück zu sehen, sei nicht etwas, das uns geschehe, sondern es sei etwas, das wir aktiv tun würden – es verändere uns. Fast klingt es wie eine (Vor)Warnung. Wir könnten dabei erleben, so Fuchs, dass von einem Werk etwas in uns angesprochen würde, das sich mit unseren eigenen Erfahrungen verbindet, das wir „wiedererkennen“. Hier seien wir in einem Bereich der Wirksamkeit von Kunst, der mit Bewusstwerdung zu tun habe. Und nur Bewusstwerdung führe letztlich zu Heilung und Transformation. Für Städte oder Menschen gleichermaßen.

Dark Matter | Sasmazer hat für ihre Figuren jeweils eigene Bereiche geschaffen, in denen sich die Figur mit (ihren) Gefühlen auseinandersetzt, sich von ihnen erdrücken lässt, die Umstände hinnimmt oder sie zu beherrschen versucht. Ängste, Schatten, Ohnmacht, Verletzungen und auch Stärke, Trotz, Kampf zeigen sich. Auf der Haut, an der Haltung, im Blick. Die lebensgroßen Figuren aus Lindenholz, zugleich schön und düster, machen es schwer, sich nicht in diese Räume hineinziehen zu lassen. Sasmazer bezieht mit dieser gewonnen Nähe auch unsere Gefühle, unserer Seele, inneren Bildern mit ein. Sie nennt ihre Skulpturen-Reihe „Metanoia“ und verweist damit auf C. G. Jung und psychologische Phänomene. Es geht dabei um Zusammenbruch, mit der Möglichkeit der Selbstheilung und Erneuerung. Dazu gehört auch Schmerz. Und diese Transformation aus der Krise geht nur über die Bewusstwerdung. Das hat uns Yasam Sasmazer gezeigt. Das ist, was Kunst kann.

Direkt aus dem Griechischen übersetzt heißt Metanoia übrigens Sinnesänderung oder Umkehr des Denkens. Da lassen wir uns 2018 gerne von der Kunst mitnehmen.

 

Bildnachweis: ©Petra Kleine | K10

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